Franz Hartls GEISTERSPIEL Gezeichnete Kosmologien eines Komponisten
16. März – 28. Juni 2009
Als der Organist und Komponist Franz Hartl (1913–2003) in Zürich in einem Seniorenheim stirbt, ist die Familie überrascht, als sie gebeten wird, Hartls zeichnerischen Nachlass abzuholen. Dass er zeichnete, wusste niemand. Zwei Mappen umfassen insgesamt rund 200 Zeichnungen und Gouachen von Franz Hartl, der meist mit «art» signierte. Der Grossteil des Werkes ist in den 1940er Jahren entstanden, es setzt sich aber fort bis in die späten 1980er Jahre.
Die Blätter kreisen um eine sämtliche Künste umfassende Harmonik, die Hartl immer wieder aufs Neue berechnet und in geometrisch angelegten, hoch komplexen Formgefügen erspürt und nachzeichnet. Ein Liniengespinst in zarter Farbigkeit überzieht das Papier, fein säuberlich mit Lineal und Zirkel ausgeführt – manches Mal wie hingehaucht. Spröde und vordergründig nüchtern wirken die Arbeiten Franz Hartls. Doch bestechen sie in ihrer minuziösen Ausführung und Transparenz und faszinieren in ihrer konzeptuellen Anlage. Sie beschreiben ein hermetisches System religiös-kunstphilosophischer Weltzusammenhänge, welche die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits überschreiten. Im Mittelpunkt von Hartls Bildwelt stehen seine Entwürfe des «harmonischen Bildes» des Himmels und des «disharmonischen Bildes» der Hölle. Dazu gehören auch die enig matischen Dar stellungen zum «Geisterspiel»: Geisterhafte Vertreter der Teufels- oder Engelssphären erscheinen in einem Netz von Bleistiftfäden gefangen; technoid-mechanische Figuren, die er aus dem «harmonischen» sowie «disharmonischen Bild» ableitet. Dem Nachlass Hartls im Archiv der Zürcher Zentralbibliothek lässt sich entnehmen, dass das «Geisterspiel» als Bühnenwerk geplant war.
Ganze Hefte füllt Franz Hartl mit Erläuterungen und Berechnungen seiner Kosmologie. Diese umfangreichen Schriften wie auch seine «Selbstbiographie» offenbaren sein existentielles Bedürfnis nach einer universellen Kunsttheorie, die vom Göttlichen durchdrungen ist. Er glaubt sich von Gott, dem Vater, berufen, der Welt seine genialen Erkenntnisse zu vermitteln, «wusste er doch, dass die ganze Schöpfung nach diesem (harmonischen) Bilde gemacht war». Doch muss er erleben, von seinen Mitmenschen verkannt zu werden. So schweigt der Einzelgänger und ‘Sonderling’ bis zu seinem Tod.
Das Werk Franz Hartls ist der Kunstwelt bis dato gänzlich unbekannt; ausgestellt oder besprochen wurden die Arbeiten bislang noch nie und auf dem Kunstmarkt sind sie ebenfalls nicht erhältlich. Das Museum im Lagerhaus präsentiert der Öffentlichkeit damit eine wahre Neuentdeckung im Bereich der Outsider Art. Für die Dauerleihgabe des Konvolutes und ihre Unterstützung dieses Projektes danken wir besonders Dora und Werner Hartl, Ebmatingen, sowie Thomas Hartl, Egg, Schmuel Stokvis, Zürich, Ute Gareis, St. Gallen, Daniel Baumann, Basel, der Musikabteilung der Zentralbibliothek Zürich für ihre Leihgaben, und für die Realisierung druckfähiger Abbildungen, der Dreischiibe, St. Gallen.